Astrid Schröder: Aktuelle Arbeiten

 

Remky Kirsten: Aktuelle Arbeiten. In: Katalog Kunst-Schauen, Augenklinik Regensburg – Aktuelle Kunst aus Regensburg und der Region 2013-2015. Mit Texten von Hermann Wolfgang und Remky Andreas. Hrsg. Augenklinik Regensburg, Verlag Schnell & Steiner GmbH. 2015. S. 16

 

 

 

Wenn man sich mit der Kunst von Astrid Schröder beschäftigt, muss man sich zwangsläufig mit dem Phänomen der Linie auseinandersetzen. Die Meinungen und die Gedanken zur Linie als elementares Gestaltungselement und Inbegriff des Zeichnerischen unterscheiden sich deutlich. Eugène Delacroix (1852) lehnt die Linie ab mit der Begründung, die gerade Linie kommt in der Natur nicht vor. Friedrich Hundertwasser (1958) hält die gerade Linie für unmenschlich und sogar für gottlos. Wassily Kandinsky (1926) hingegen sieht in der geometrischen Linie ein unsichtbares Wesen und den Sprung aus dem Statischen in das Dynamische.1

 

 Astrid Schröder „zeichnet“ mit dem Farbpinsel Linien. Diese verlaufen vertikal oder horizontal und werden streng parallel zueinander angeordnet.

 

Im Malprozess setzt sie dazu ein Lineal auf die Leinwand und lässt den Pinsel entlang der Kante des Lineals gleiten. Das Lineal dient als Hilfsmittel der geraden Linie, unterstützt Präzision und Sachlichkeit. Der Pinsel in der Hand der Künstlerin hingegen sorgt für gewollte Ungenauigkeit und Unregelmäßigkeit. Dabei ist Astrid Schröder durchaus bemüht, ihre Linien möglichst genau zu ziehen, wohlwissend, dass in der gewählten Pinselstärke absolute Genauigkeit unmöglich ist. Der Duktus ihrer Hand, auch wenn dieser noch so ruhig verläuft, bringt in jede Linie etwas Eigenes, das sich von der anderen Linie unterscheidet. Für den Farbauftrag ist das wiederholte Eintauchen des Pinsels in die Farbe notwendig und bedingt damit das Absetzen und erneute Ansetzen des Pinsels auf der Leinwand. Auch durch diese Prozedur entstehen die einkalkulierten Abweichungen der Farbbahnen. Bewusst steuert Astrid Schröder die Verbindung zwischen den mathematisch-geometrischen Formen der Konkreten Kunst und der Vergeistigung einer kontrolliert gestischen Malerei.

 

Schröders Bildwerke sind das Ergebnis beachtlicher Konzentration und Disziplin. In monotoner Wiederholung zieht sie immer wieder die gleiche Linie, immer wieder von oben nach unten. Astrid Schröder scheut sich nicht vor beeindruckenden Bildmaßen. Fast neun Meter Breite misst beispielsweise ihr Werk im Regensburger Landgericht. Tage, Wochen, Monate kann ein Bild in Anspruch nehmen. Jeder gezogene Strich spiegelt die Zeit der ausgeführten Geste wider und reflektiert einen zeitlich erfassbaren Ablauf, der zwischen Meditation und Geduld liegt.

 

Doch wie wirken die Linienbilder von Astrid Schröder auf uns Betrachter? Im ersten Eindruck sind formal kontrollierte Linien zu sehen. Die Anordnung erscheint vernünftig, sachlich, konstruiert. Sie vermittelt uns eine gewisse Ruhe und Stabilität, insbesondere bei den gleichlangen Linien und den starken Horizontalen, die unseren Blick über die Bildfläche lenken. Im Gesamteindruck wird der minimale Unterschied von Linie zu Linie für das Auge sichtbar. Durch eine Veränderung des Standortes vor dem Bild und damit durch den Wechsel des Lichteinfalls fangen die Bilder an, zu funktionieren. Beim längeren Betrachten der Bilder entstehen optische Irritationen. Das starre Ordnungsprinzip wird zur Fluktuation. Es gibt kein Zentrum im Bild, es gibt keinen Ruhepunkt. Stattdessen evozieren die parallel angelegten Linien sanfte pulsierende Dynamik und Dreidimensionalität. Reliefs, Furchen, Gräben scheinen plötzlich aus dem Nichts zu kommen. Die gerade Linie wirkt gewölbt, erscheint in ihrer Existenz konvex oder konkav.

 

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Farbwahl in Schröders Werken. Die Farbgebung eines Bildes kann beim Betrachten unterschiedliche Stimmungen und Empfindungen hervorrufen. Rot erscheint kraftvoll, Grün wirkt beruhigend, Gelb strahlt Leichtigkeit aus und Blau sorgt für Entspannung. Changierende Effekte und Farbmodulationen sowie mehrere Farbtöne in einem Bild sorgen für mehr Unruhe, Bewegung und Räumlichkeit. Jedes Bild wird subjektiv erfahren, Assoziationen und Eindrücke sind individuell.

 

Schröders Werke kehren zurück zur elementaren Besinnung: Linie und Zeit. Der Minimalismus der Linie, der Purismus der Anordnung und dennoch ist ihr Herzschlag in jeder Linie spürbar.

 

 

Dr. Kirsten Remky, 2015

 

1 Walter Koschatzky, Die Kunst der Zeichnung, München 1987, Seite 197.

 

 

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